Innichen, 9. September 2019 – Die Eroica Dolomiti 2019, die am vergangenen Wochenende in der Ferienregion 3 Zinnen Dolomites organisiert wurde, bleibt aus mehreren Gesichtspunkten unvergessen. Heftiger Regen, dicke Nebelschwaden und Temperaturen zwischen 4 und 12 Grad Celsius verlangten den Vintage-Radsportlern alles ab, die sich vom trüben Herbstwetter die gute Laune jedoch nicht verderben ließen. Im Gegenteil: Wer sich bei genau solchen Verhältnissen erschöpft aber überglücklich ins Ziel kämpfte, der durfte sich umso mehr als Held fühlen. Mit 300 Startern konnten die Veranstalter vom Tourismusverein Innichen einen neuen Teilnehmerrekord erzielen. Zudem mischte sich Damiano Cunego unter die Teilnehmer des Retro-Events – der Ex-Radprofi hatte 2004 den Giro d’Italia gewonnen.
Der Großteil der 300 gemeldeten Radsportlerinnen und Radsportler – darunter auch Teilnehmer aus Australien, Neuseeland oder Japan – brach am Samstagmorgen kurz nach 8 Uhr von der Fußgängerzone Innichen zum Abenteuer Eroica Dolomiti 2019 auf. Nieselregen und Temperaturen um die 10 Grad Celsius ließen die Radsport-Begeisterten bereits erahnen, dass der Tag im Sattel der mindestens 30 Jahre alten Fahrräder und in den historischen Trikots zum Teil längst vergessener Marken und Teams kein gemütlicher werden würde.
Zunächst – auf dem weißen Schotterweg von Toblach nach Cortina – besserte sich die Wetterlage ein wenig. Doch spätestens beim knackigen Anstieg zum Passo Tre Croci und in der Folge hoch zum Misurina See begann es wie aus Eimern zu schütten. Wetterbedingungen, bei denen man unter „normalen“ Umständen möglicherweise kapitulieren würde. Nicht aber die Eroica-Teilnehmer, die sich bei der Verpflegungs-Station am Misurina See mit einer Gulaschsuppe, einem Pilze-Risotto oder Bandnudeln mit Wildragout, sowie einem Schluck Südtiroler Rotwein stärkten und dann den nächsten Abschnitt ihres Abenteuers in Angriff nahmen. Ein Teil der Radler machte sich von Schluderbach auf den Rückweg über Toblach bis nach Innichen. Doch viele Teilnehmer bogen bei Schluderbach nach links in Richtung Cortina ab, um wenig später auf die Plätzwiesen zu klettern.
Purer Radsport wie zu Großvaters Zeiten
So auch Franco Rossi aus Montalcino. „Natürlich sind die Bedingungen heute nicht einfach und der Regen und die Kälte machen uns allen zu schaffen. Aber auf der anderen Seite spiegelt dieses Wetter auch den Geist der Eroica perfekt wider. Hier geht es darum an seine eigenen Grenzen zu gehen und trotzdem Spaß zu haben. Das hier ist der pure Radsport, den unsere Großväter gekannt haben. Es klingt vielleicht eigenartig, aber ich genieße diesen Tag fast wie ein kleines Kind“, gab Rossi an der 2040 Meter hoch gelegenen Dürrensteinhütte zu Protokoll.
Auch bei der Abfahrt durch das Pragser Tal bis nach Niederdorf blieb der Regen ständiger Begleiter der Retro-Radsportler. „Wir sind bei vielen Eroicas dabei gewesen. Natürlich bei der originalen Eroica in Gaiole in der Toskana, aber auch in England oder kürzlich in Deutschland. Die Eroica Dolomiti bestreiten wir zum ersten Mal. Die Bergwelt ist phantastisch, auch wenn wir heute nicht allzu viele Gipfel sehen konnten. Es ist alles wunderbar organisiert, man spürt die Gastfreundschaft der Südtiroler förmlich“, sagten zwei Eroica-Teilnehmer aus Großbritannien. Ein deutscher Radler, der dem Gespräch zugehört hatte, warf ein: „Mir hat es so gut gefallen, dass ich die Strecke am Montag bei gutem Wetter noch einmal zurücklegen werde.“
Die Eroica Dolomiti – auch in Zukunft kein Event für die breite Masse
Während der Großteil der verbliebenen Vintage-Radsportler von Niederdorf den Heimweg über Toblach nach Innichen antrat, „kletterten“ ein paar Wagemutige noch auf die Silvesteralm. Nach insgesamt 118 Kilometern kamen schließlich auch sie am Nachmittag im Ziel in der 1250 Jahre alten Ortschaft an. „Wohin ich auch blicke: Ich sehe ausschließlich glückliche Gesichter. Das freut uns als Veranstalter natürlich sehr. Natürlich hätten wir uns sonniges Wetter wie im Vorjahr gewünscht. So wird dieser Tag den 300 Teilnehmern aber mit Sicherheit noch länger in Erinnerung bleiben. Die Eroica Dolomiti ist ein Nischenprodukt. Mit diesem Event möchten wir nie eine Vielzahl von Teilnehmern nach Innichen locken. Unser Ziel ist es, mit Qualität zu punkten. Wir möchten jedem Radsportler ein unvergessliches Event anbieten, bei dem er das Gefühl hat, dass ihm in unserem familiären Umfeld nahezu jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird“, lautete das Resümee von Gabriel Fauster vom Tourismusverein Innichen, der für die Organisation der Eroica Dolomiti verantwortlich zeichnete.
Nur lobende Worte gab es am Samstagabend auf der Riese Haunold Hütte im Rahmen der „Cena Eroica“ – sie bildete den Abschluss des Vintage-Radsport-Events – von Eroica-Erfinder Gianfranco Brocci. „Wenn ich mich unter Gleichgesinnten befinde, dem sogenannten Eroica-Volk, dann kann es mir nur gut gehen. Hier in den Dolomiten zu sein ist ein Spektakel. Diese Berge und der Radsport gehören einfach zusammen – ein bisschen so wie die Region um Chianti und dessen Schotterwege. Die Gastfreundschaft, die uns Eroica-Teilnehmern in Innichen entgegengebracht wird, ist herausragend. Hier wird Tourismus in der Natur gemacht, die Eroica gibt ihrerseits den Radsport der Bevölkerung zurück. Ich bin sehr glücklich, dass wir mit der Eroica Dolomiti allen Radsport-Begeisterten eine Möglichkeit mehr anbieten können, mit ähnlich denkenden Menschen ein Wochenende im Zeichen des Sports verbringen zu können“, erklärte Brocci, der abschließend bekanntgab, dass die 4. Eroica Dolomiti Anfang September 2020 stattfinden wird.
Das ist die Eroica
Das Original des Vintage-Radsport-Events, die Eroica di Gaiole, findet jedes Jahr im Herbst in der Toskana statt. Mittlerweile gibt es weltweit Ableger des renommierten Retro-Rennens aus dem Anbaugebiet des Chianti. Die Eroica schlägt mittlerweile ihre Zelte auch vielerorts in Europa, in Südafrika, im kalifornischen Paso Robles oder gar am Mount Fuji in Japan auf und zieht Radsportler aus Nah und Fern in seinen Bann. Im Rahmen der einzelnen Eroica-Rennen wird an jene glorreichen Zeiten des Radsports angeknüpft, als die Radfahrer noch als echte Helden galten. Für einen Tag geht es sozusagen zurück zum Ursprung.
Fotos: Paolo Martelli
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